Frust auch in Brandenburg


ORB-Sendung vom 06.03.2002

Abwasser-Wende in Sicht?

O-TON Mann

"Det Land, det hat so ne wunderbaren Jesetze, wir woll`n och alle wat für de Umwelt tun. Wir woll`n es auch alle umsetzen. Wir bezahl`n och unsere Kleinkläranlagen jeder selber. Soll doch det Land diese Fördermittel, die es geben will, uns zentral anzuschließen, soll doch das Land die Fördermittel geben um Briescht den Austritt zu finanzieren."

O-TON Frau

"Ich merke, das die legalen Mittel, die beispielsweise die Gemeindeordnung vorschreibt, die wir hier in Kossenblatt ausgeschöpft haben, angefangen vom Einwohnerantrag über Bürgerbefragung bishin zum Bürgerbegehren, das jetzt in der Luft hängt, mit diesen legalen Mitteln kommen wir nicht weiter."

O-TON Mann

"Dafür brauchen wir eine Freistellung vom Anschlusszwang. Das ist doch der Knackpunkt."

Die Volksseele kocht am letzten Februar Sonntag. Der Saal im Dorfkrug voll wie lange nicht mehr.
Abwasserentsorgung: Zentral oder dezentral? Eingeladen, aber nicht erschienen: Die Chefs vom Wasserverband Schwielochsee West.
So bleiben die Befürworter der Kleinkläranlagen unter sich.
Nach drei Stunden haben die Ersten die Nase voll.

Andere harren aus. Machen sich gesetzesfest, um im Streit mit dem mächtigen Verband zu bestehen. Sie wollen auf das Wasserhaushaltsgesetz pochen. Denn seit 1996 schon sind Pflanzenkläranlagen auf eigenen Grundstücken als billige umweltfreundliche Variante zugelassen. Ein Jahr lang kämpft die Bürgerinitiative schon.
Mit dabei Familie Krüger, obwohl die längst am Ziel ist.
Weit ab vom Dorf durfte sie sich vor drei Jahren eine solche Anlage bauen. Das gereinigte Wasser hält jeder EU-Richtlinie stand. Nun stärken sie den anderen den Rücken, aus eigener Überzeugung.

O-TON Ulrike Krüger
Lehrerin

"Ich hab jetzt festgestellt, das ist das beste, was man haben kann auf dem Lande. Monatlich hab ich weniger Kosten und ich hab auch noch Wasser für den Garten.
Und ich hab auch gemerkt, dass immer mehr Leute aus der Nachbarschaft das gerne machen würden."


Immerhin drei Viertel der Kossenblatter und Brieschter-Bewohner - ergab eine Befragung. Die meisten haben eine ausbaufähige Grube auf dem Hof . Wollen ihr Abwasser selber reinigen und weiterverwenden.
Doch die Bürgermeinung wird bisher vom Amtsdirektor ignoriert.

Die Anschlüsse werden gebraucht, meint auch der Wasserverband Schwielochsee West.
Im Land als akuter Problemfall bekannt. 15 Millionen Euro Schulden, rund 4000 pro Haushalt.
Seine Kläranlage zu groß, nur zur Hälfte ausgelastet. Sein Management unfähig, hieß es Anfang des Jahres.

190 Haushalte ein Rettungsanker? Mit dem sich das marode Unternehmen ein Stück aus dem Schuldensumpf ziehen kann?
Um 50 000 Euro will es seine Einnahmenjährlich durch die 190 Familien erhöhen . Aber 1,8 Millionen würden die neuen Anschlüsse kosten.
Soviel ist nicht da. Man bräuchte Fördermittel. Den Höchstsatz - und die Anschlussgebühren der Bürger.
Die werden hingehalten. Haben erst jetzt Konkretes in der Hand: Den Variantenvergleich vom Wasserverband. Nur 10 Cent billiger pro m3 Abwasser - die Kleinkläranlage.
Das kam den Bürgerbewegten spanisch vor.
So fragten sie bei mehreren Ingenieurbüros nach, wegen des fragwürdigen Vergleichs:

Prof. Dr. Manfred Sohn
ÖKOtech Berlin

"Ich halte ihn für ausgesprochen oberflächlich, für unvollständig, weil bestimmte Eigenleistungen, die die Bürger bringen, in die Kosten für Kleinkläranlagen nicht mit einbezogen worden. Und er ist einseitig und irreführend. Es ist eine Tatasache und viele Beispiele in Brandenburg sprechen dafür, dass die Gestehungskosten bei Kleinkläranlagen wesentlich günstiger liegen als bei Großkläranlagen. Die liegen also bei einem Drittel bis einem Viertel der Großkläranlage."

Der Verband wollte sich nicht äußern. Doch der Steuerzahler sollte wissen, wo sein Geld bleibt. Bis zu 75 Prozent der Baukosten für Zentrale , 55 Prozent für Dezentrale können gefördert werden.
Zentral käme hier doppelt so teuer.
Kaum raus aus Kossenblatt - geht es. Hat der Nachbarwasserverband den Dörflern nachgegeben. Hinter 60 Häusern schon Pflanzenkläranlagen. Manche sogar von mehreren Familien genutzt. Wie hier in Bückchen. Die Kosten teilen sich durch sechs.

Wieso geht es hier?
Auch der Wasserverband Dürrenhofe-Krugau ist verschuldet. Seine Kläranlage nicht ausgelastet.
Auch hier war die zentrale Lösung anvisiert.
Als sechs Kommunen mit dem Austritt drohten, wurde ein Variantenvergleich in Auftrag gegeben.

O-TON Dr. Horst Teile
Verbandsvorsteher

"Wir haben feststellen können, dass ein weiterer Anschluss nicht wirtschaftlich wäre, und wir das auch machen können, was die Bevölkerung wünscht, nämlich Abwasserentsorgung, die bezahlbar ist."

Und der Verband brauchte keine neuen Kredite für neue Anschlüsse ans Klärwerk. Konnte sogar Schulden abbauen.

Zurück nach Briescht und Kossenblatt. Wie kommen die zu ihrem Recht? Die neue Bürgermeisterin weiß vorerst nur ein Rezept.

O-TON Ingeborg Miethe
Bürgermeisterin

"Die Bürgerinitiative, die darf einfach nicht aufgeben. Wir müssen Druck machen im Land, das sich hier etwas bewegt, wir alleine schaffen das nicht."

Doch für künftige Stürme mit den Verbänden müssen Kommunen sich selbst mehr zutrauen. Zum Beispiel Satzungen ändern. Selbst der Anschlußzwang läßt sich streichen, wenn man Mehrheiten findet.
Auf keinen Fall windigen Angeboten der Zweckverbände vertrauen. Denn die leben von Anschlüssen.
Bei Orientierungsschwierigkeiten im Varianten- und Paragraphendschungel gibts Hilfe, man muß nur wissen, wo...

Beitrag von Uta Greschner

 


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